23. SONNTAG im Jahreskreis

Matthäus 18, 15-20

Christsein ist immer konkret. Es besteht immer auch aus Handeln. Christ kann man nie allein sein, sondern immer in Verbindung mit anderen. Dafür gibt das heutige Evangelium ein klares Beispiel.

Zur Zeit des Evangelisten Matthäus wurden die Christen von ihrer jüdischen Umwelt ständig beobachtet und mit Argwohn betrachtet. Jedes Versagen unter den Christen wurde hervorgehoben und herausgestellt. Aufgespürtes Fehlverhalten bot den Gegnern Stoff, das Christentum madig zu machen. Gröbere Verfehlungen Einzelner, Uneinigkeit oder gar gehässiger Streit in der Gemeinde, alles wurde zu einem Hindernis für die Glaubwürdigkeit der Christen.

Ist das heute anders? Das Verhalten eines Christen, der sich schuldig gemacht hat, fällt auf den Kreis zurück, zu dem er gehört. Das haben wir als Kirche im Zusammenhang mit all den Missbrauchsfällen deutlich erlebt. Wegen der einzelnen Täter verlor die ganze Kirche an Glaubwürdigkeit. "Wer einen solchen Menschen in seinen Reihen hat, kann auch sonst keinen Respekt erwarten!"

Für Matthäus ist es deswegen klar: Jeder Einzelne in der Gemeinde ist mitverantwortlich, zu lebendigem, christlichem Handeln und Verhalten in seiner Gemeinde beizutragen. Das Ziel ist: Allem, was dem Geist Jesu widerspricht, soll eine deutliche Absage erteilt werden. Deswegen schlägt er eine kluge und behutsame Vorgangsweise vor. Wie soll man mit Christen umgehen, die sich schuldig gemacht haben (die Art der Schuld wird hier nicht erwähnt)?

Häufig wird schnell, oft vorschnell ein Urteil gefällt. Man soll aber anders vorgehen. Es ist nicht richtig so zu tun, als ob mich das falsche Verhalten eines Mitchristen nichts angeht. Schweigen ist nicht immer Gold, es kann auch stillschweigendes Dulden von Unrecht sein. Einfacher ist es, (wie es ja auch oft geschieht) die Betroffenen zu meiden oder nicht mit ihnen sondern mit anderen über ihr falsches Tun zu reden. Missstände und Konflikte müssen angesprochen werden, damit es nicht zur Spaltung kommt. Aber es soll mit dem nötigen Fingerspitzengefühl vorgegangen werden.

Ein erster Schritt soll unter vier Augen geschehen. Wenn dein Bruder sündigt, sich schuldig macht, hänge es nicht gleich an die große Glocke, weise ihn unter vier Augen zurecht. Ein Bloßstellen wird so schon einmal vermieden. Zuerst einmal gilt: Keiner ist von Verfehlungen ausgenommen! Im Gespräch unter vier Augen, im geschützten Rahmen, kann behutsam angesprochen werden, was belastet. Das Ziel ist nicht, den anderen zu verurteilen. „Warum siehst du den Splitter im Auge deines Nächsten, aber den Balken im eigenen Auge siehst du nicht?“, hat Jesus gefragt. Es geht darum, dem anderen zu helfen, aus seiner schuldigen Situation herauszufinden, den Konflikt zu lösen. Wo dies einfühlsam, liebevoll und in Achtung geschieht, wird Güte der Grundton des Gesprächs sein, in dem Vorwürfe, Anklage und Erniedrigung unterbleiben. Wo Güte und Wohlwollen ein Vier-Augen-Gespräch bestimmen, ist oft mit einem Erfolg zu rechnen.

Aber das gelingt nicht immer. Gelingt es nicht, den Schuldigen zur Einsicht zu bringen, soll man sich nicht einfach zurückziehen oder beleidigt sein. Schau dich vielmehr um, ob du jemanden oder mehrere findest, auf die der Angesprochene eher oder vielleicht sogar gern hört. Nimm sie mit und versuche es neu. Und erst wenn das auch nicht gelingt, soll der Fall mit der ganzen Gemeinde besprochen werden. Aber auch dann gilt: "Ohne dich sind wir ärmer, und das wollen wir nicht sein. Wir wollen dir helfen, dass du weiter zu uns gehörst." Zurechtweisen bedeutet nicht nur rügen, sondern in die richtige Richtung weisen, Wegweiser sein. Es ist, wie Paulus es in der ersten Lesung sagt: „…Die Liebe schuldet ihr einander immer.“

Im Grunde genommen ist diese feinfühlige Vorgangsweise, wie sie im Matthäusevangelium empfohlen wird, eine moderne, wertschätzende und kluge Art der Konfliktbewältigung. Sie bewahrt den Einzelnen vor Gesichtsverlust, gibt ihm die Chance, einzulenken und sich zu überprüfen. Sie setzt auf Einsicht und Wohlwollen und schließt die Möglichkeit der Umkehr immer mit ein. Jesus betont: Mit einer Krise in der Gemeinde, mit einem Menschen, der sich und die Gemeinschaft geschädigt hat, dürfen wir nicht schnell fertig sein. Er braucht unsere Zuwendung. Auch das ist Nächstenliebe. Sensible Menschen sprechen dann von einer „guten“ Atmosphäre, in der man sich innerlich berührt fühlt und eine tiefe Freude aufkommt. Dann ist Jesus wirklich unter uns.

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